Montag, März 03, 2008

Schweizer Bundesgericht zum Kopftuch

Urteile vom 27. Februar 2008 (1D_11/2007 und 1D_12/2007)
AARGAUER STREITIGKEITEN UM NICHTEINBÜRGERUNGEN WEGEN TRAGENS
DES KOPFTUCHES; BESCHWERDEN VOM BUNDESGERICHT GUTGEHEISSEN


Das Bundesgericht überprüft zwei kommunale Entscheide aus dem Kanton Aargau, mit denen Einbürgerungen wegen des Kopftuches als religiösem Symbol verweigert worden sind. Das blosse Tragen des Kopftuches bringt keine Haltung mangelnden Respekts vor der Verfassungsordnung zum Ausdruck.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerden insoweit gut und weist die Verfahren an die Gemeinden zu neuem Entscheid zurück. Hingegen wird die Beschwerde einer Gesuchstellerin abgewiesen, bei der ungenügende Sprach- und Staatskundekenntnisse die Nichteinbürgerung ungeachtet des Tragens des Kopftuches zulassen.

Die angefochtenen negativen Einbürgerungsentscheide aus zwei Aargauer Gemeinden
(Gemeinden Birr und Buchs) stellen einzig auf das Tragen des Kopftuches als religiösem Symbol ab. Aus der Begründung der kommunalen Beschlüsse ergibt sich eine rechtsungleiche d.h. diskriminierende Behandlung der Einbürgerungswilligen. Eine solche Behandlung lässt sich nicht rechtfertigen.

Die Übung, das Kopftuch zu tragen, gilt als Ausdruck eines religiösen Bekenntnisses.
Sie wird durch die verfassungsrechtliche Glaubens- und Gewissensfreiheit im Grundsatz
geschützt und ist im Lichte des Diskriminierungsverbots im Einzelfall zu werten.

Das blosse Tragen des Kopftuches bringt keine Haltung mangelnden Respektes vor der Verfassungsordnung zum Ausdruck. Für sich genommen, zeigt sich darin keine Herabminderung von Frauen. Es ist weder behauptet noch konkret belegt worden, dass die Gesuchsteller die Geschlechtergleichheit und grundlegende Werte unserer Gesellschaft missachten oder eine entsprechende Haltung an den Tag legen.

Vor diesem Hintergrund hat das Bundesgericht die Beschwerde der einen Gesuchstellerin
gutgeheissen, die das Kopftuch trägt. Im zweiten Verfahren hat es der Beschwerde
eines Ehemanns entsprochen, dessen Ehefrau das Kopftuch trägt. Demgegenüber ist
die Beschwerde der Ehefrau abgewiesen worden; deren ungenügende Sprach- und
Staatskundekenntnisse lassen die Nichteinbürgerung ungeachtet des Tragens des Kopftuches in diskriminierungsfreier Weise vor der Verfassung rechtfertigen. Soweit die kommunalen Beschlüsse aufgehoben werden, sind die Einbürgerungssachen an die Gemeinden zu neuem Entscheid zurückgewiesen worden.


Lausanne, 3. März 2008 >> http://www.bger.ch
>> www.inidia.de/kopftuchstreit.htm
>> www.diskussionen.de