Mittwoch, März 24, 2004

Kopftuch im Gerichtssaal ?

Berlin, den 23.03.2004

Pressemitteilung 15/2004

Bezug nehmend auf die Presseberichterstattung der letzten Tage zum Tragen von Kopfbedeckungen im Gerichtssaal hat der Präsident des Amtsgerichts Tiergarten, Gerhard Offenberg, heute wie folgt Stellung genommen:

„Nach § 175 Abs. 1 GVG kann der Vorsitzende Richter Zuhörern den Zutritt zu öffentlichen Verhandlungen versagen bzw. sie aus dem Sitzungssaal verweisen, die in einer der Würde des Gerichts nicht entsprechenden Weise erscheinen. Diese Entscheidung liegt im Ermessen des jeweiligen Richters. Es ist zurzeit noch weitgehend üblich, dass in geschlossenen Räumen keine Kopfbedeckungen getragen werden. Aus diesem Grund forderte der Jugendrichter – wie in allen seinen Sitzungen – die Zuhörer auf, ihre Kopfbedeckungen abzunehmen; im konkreten Fall erklärte er der Mutter des volljährigen Angeklagten, sie könne im Sitzungssaal bleiben, müsse dann aber ihr Kopftuch abnehmen. Diese verließ daraufhin freiwillig den Sitzungssaal, ohne darauf hinzuweisen, dass es ihr aus religiösen Gründen nicht gestattet sei, dass Kopftuch abzunehmen.

Eine Überprüfung dieser Ermessensentscheidung im Wege der Dienstaufsicht ist nicht zulässig. Der Richter unterliegt einer Dienstaufsicht nur, soweit nicht seine Unabhängigkeit beeinträchtigt wird (§ 26 Abs. 1 DRiG). Sitzungspolizeiliche Maßnahmen fallen in den Kernbereich der richterlichen Tätigkeit und dürfen daher im Wege der Dienstaufsicht weder überprüft noch kommentiert werden. Eine Ausnahme würde nur dann gelten, wenn die Maßnahme ohne jeden Zweifel und offensichtlich falsch wäre, d.h., wenn sie gegen den eindeutigen Wortlaut des § 175 Abs. 1 GVG verstoßen würde. Dies ist jedoch nicht der Fall. Eine Überprüfung kann daher nur im Rechtsmittelwege erfolgen. Nach § 338 Ziff. 6 StPO liegt ein absoluter Revisionsgrund vor, wenn ein Urteil aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergeht, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit der Verhandlung verletzt worden sind.“